Wie riecht Wein? Angenehm, unangenehm, nach gar nichts? Das wären wohl die ersten Worte von den meisten von uns. Dies reicht als Beschreibung natürlich hinten und vorne nicht. Unsere Experten, allen voran Weinverkäufer, Sommeliers und bestens gebildete Weintrinker zerlegen den Weingeruch in „Anklänge von Zitrusnoten, leicht flüchtige florale Aromen bei Weißwein“ oder, und jetzt wird’s interessant, in „Noten von schwarzem Tabak, Bukett wie nasser Hund oder gebrannter Gummi“; bei bestimmten Rotweinen.
Wie gut könnnen SIe riechen?
Jeder von uns hat eine Nase, die wir riechend durch die Welt tragen. Obwohl die Wissenschaft behauptet, der Mensch könne bis zu 10.000 Gerüche unterscheiden, sind wir im Vergleich mit vielen Tieren „geruchsblind“.
Damit stehen wir knietief im Thema. Niemals gerochene Düfte können wir zwar unterscheiden, aber ohne Zusammenhang weder einordnen, noch benennen. Wer noch nie in einem Kuhstall war, kann den Ekel der Wissenden nicht nachvollziehen.
Wir empfinden Gerüche entweder als unangenehm, abstoßend -Kuhstall- oder angenehm, wie den Duft einer Rose oder das Parfüm einer Frau. Diese starken, oft aufdringlichen Düfte kennt jeder und kann diese meist auch einordnen.
Und jetzt die Gretchenfrage: Würden verschiedene Menschen diese Gerüche jeweils mit den gleichen Worten beschreiben? Wir dürfen davon ausgehen, dass die Beschreibungen durchaus unterschiedlich ausfallen würden.
Können wir Düfte, die uns ohne Kontext präsentiert werden, zuordnen? Sind wir in einem Kuh- oder Schweinestall, oder in einer Bahnhofstoilette; ist das der Duft einer Hundsrose oder der einer Essigrose; Chanel Nr.5 oder die Billigmarke von Rossmann? Die Antwort dürfte wohl lauten: Landwirte werden es können, der Rosenzüchter und die Parfümfachverkäuferin wohl auch, weil sie alle durch ihr Fachgebiet konditioniert sind und einem laufenden „Trainingsprozess“ ausgesetzt sind. Das bringt uns direkt zu einer anderen Art von Nase.
Das riechen die Experten
„Dieser Wein hat eine elegante Nase“, sagen die Experten, und halten sich ein Glas Wein unter den eigenen Riechkolben. Ob beim Einkauf im Weinladen oder bei einem Weinseminar – früher hieß dies schlicht Weinprobe – wird man meistens mit einem speziellen Wortschatz zur Weinbeschreibung traktiert: „Weinsprech“, als Ausdruck von Kennerschaft.
Hilflos sitze ich im Weinseminar und schäme mich, dass ich diese Geruchsexplosionen des gerade kredenzten Weines beim besten Willen zwar riechen, aber nicht benennen kann. Die anderen Teilnehmer nicken zustimmend zu den Anklängen an Stachelbeere. Warum bin ausgerechnet ich unfähig, den leichten Anklang an Stachelbeere zu erkennen?
Die Antwort ergibt sich aus dem Tenor des oben Gesagten: Ich bin nicht trainiert Wein zu riechen und zu benennen, die anderen Teilnehmer, aller statistischen Wahrscheinlichkeit nach, auch nicht. Es ist für viele Menschen verstörend zu erleben, dass wir schon bei alltäglichen Düften versagen, wenn uns diese ohne Kontext erreichen.
In einer meiner Veranstaltungen hatte ich einen Preis ausgelobt, der davon abhing, einen auf einer Stoffserviette präsentierten Duft (hier Banane) zu erkennen. Fünf! Teilnehmer scheiterten, bevor der Preis vergeben werden konnte.
Das meint viino
Zum Schluss die gute Nachricht. Sie müssen sich dieser Mühsal, Weinaromen zu erkennen und im Weinsprech zu benennen, nicht unterziehen, wenn es Ihnen keinen Spaß macht. Verstecken Sie sich bei Ihrem nächsten Weineinkauf bitte aber auch nicht hinter dem Satz: „Ich verstehe leider nichts von Wein“! Sie brauchen nichts von Wein zu verstehen, was Sie aber sicher wissen, wie der Wein schmecken soll, damit er Ihnen schmeckt! Und versuchen Sie bitte nicht den Weinsprech nachzuahmen, sondern nehmen ihre eigenen Worte, mit denen Sie diesen Wein beschreiben, der Ihnen geschmeckt hat. Das sind meist Beschreibungen wie „fruchtig, frisch, hat nicht gekratzt…“
Oder Sie konfrontieren den Verkäufer mit der Gelegenheit, zu der der Wein passen soll. Wird’s ein Mädelsabend oder doch die Einladung der Familie zum Geburtstagsessen.
Sollte der Verkäufer damit nicht zurechtkommen, ist das sein Problem, nicht Ihres!
Chapeau für diese Nasenweisheit!