Ich kam zum ersten Mal auf einer Betriebsfeier in Kontakt mit diesem für mich mysteriösen Wein.
Gerade hatte mir der Gastgeber ein Glas Rotwein in die Hand gedrückt, mit der Bemerkung, so einen sensationellen „Primitiven“ hätte ich noch nie getrunken. Ein Direktimport von ihm persönlich aus Apulien. Bei dem Auftreten dieses Kollegen musste ich unwillkürlich an meinen Freund, den Weinschwätzer denken. Er war mit seiner Begeisterung für Wein wohl nicht allein.
Ich probierte einen Schluck und war tatsächlich beeindruckt. Weich, fruchtig und kratzt beim Schlucken nicht. Diese meine Eindrücke konnte ich in dieser völlig unprofessionellen Form natürlich nicht kundtun. Da traf es sich gut, dass der hiesige Weinschwätzer gerade einen anderen seiner Gäste mit seiner Begeisterung über diesen Wein beglückte. Ich schlich mich näher und konnte folgenden Monolog belauschen:
Die Rebsorte „Primitivo“ wird heute hauptsächlich in Süditalien, genauer in Apulien, angebaut. Ursprünglich soll diese aus Kroatien stammen und von dort auch den Weg nach Kalifornien gefunden haben, wo der Wein aus dieser Traube als „Zinfandel“ vermarktet wird. Am besten soll der Primitivo aus der DOC Anbauzone „Primitivo di Manduria“ sein. Seine Sensationsentdeckung kommt aus der IGT Anbauzone „Primitivo di Puglia“ und kann seiner stolzen Entdeckermeinung nach mit jedem „Manduria“ mithalten, und sei auch noch günstiger.
So weit, so gut, aber jetzt weiß ich immer noch nicht, wie man diesen Geschmack im „Weinsprech“ beschreibt. Also kurz in eine Ecke zurückgezogen und klammheimlich das Internet befragt. Dort lerne ich Folgendes:
Der Name Primitivo hat mit primitiv nichts zu tun, sondern soll sich von alten Begriffen wie primitivus , primitiva (früh reifend) herleiten. Eine Primitivo hat komplexe und intensive Aromen, einen ausgeprägten Körper und nachhaltige Fülle im Mund (ich lese und staune). Andere Quellen werden genauer und schreiben von intensiven Beerenaromen dunkler Waldfrüchte, Anklänge von Zimt, Nelken und pfeffrigen Noten.
So gewappnet, wage ich es noch schnell meinen Freund den Weinschwätzer anzurufen, ob dieser zur Abrundung meines Unwissens noch etwas beizutragen hat. Hat er:
Von ihm erfahre ich dann noch, dass der Primitivo oft als „säurearm“ beschrieben wird, was meistens nicht korrekt ist. Der Säuregehalt vieler im Handel erhältlicher Primitivo-Weine liegt zwischen 5 g und 6 g/L, was man keinesfalls als „säurearm“ beschreiben kann, und er erzählt weiter, dass viele dieser Weine aufgrund ihres vergleichsweise hohen Restzuckergehalts (durchaus mal 7 g bis 12 g/L und höher) so vorzüglich rund schmecken und die Säure kaschieren. Nach deutscher Nomenklatur wären diese Weine „halbtrocken“!
Viele Primitivo-Weine werden in der Geschmacksrichtung halbtrocken ausgebaut.
Jetzt war ich genügend munitioniert, als mich der Gastgeber ansprach und meine Meinung zu seinem Wein wissen wollte. So ganz wollte ich es nicht bei der weitverbreiteten Lobhudelei belassen und schloss meinen Vortrag mit den Worten: „… spürbarer Restzuckergehalt und etwas kurz im Abgang“. Er zuckte kurz mit der Augenbraue, drehte sich abrupt um und machte seinerseits einen kurzen Abgang, ob der Banause, die er mit seinem tollen Wein beeindrucken wollte.
Ich ließ mir trotzdem noch ein Gläschen schmecken.
Das Viino Fazit:
Primitivo, die Wahl für Anlässe, bei denen der Wein „allen“ schmecken soll. In einem guten Fachgeschäft gekauft, kann man meist nichts falsch machen. Und die Weinschwätzer einfach ignorieren!
Foto: KI-generiertes Bild